Die Lübecker Bucht vor 75 Jahren
Vom schwierigen Neubeginn nach einem verheerenden Krieg
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs herrschten auch in Schleswig-Holstein Hunger, Wohnungsnot und Chaos. Die Sonderausstellung zeigt, wie in der Region an der Lübecker Bucht Geflüchtete und Vertriebene, befreite KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene Notjahre und Aufbruch bewältigten.
In den letzten Kriegswochen waren fast eine Million Menschen vor den alliierten Truppen in das noch unbesetzte Schleswig-Holstein geflohen. Die meisten kamen aus Ostpreußen und dem Baltikum, viele per Schiff über die Ostsee. So war der Anteil der Geflüchteten im heutigen Ostholstein extrem hoch: In vielen Gemeinden machten sie noch 1948 mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Sie alle mit Unterkunft, Nahrung und möglichst Arbeit zu versorgen, stellte die britische Besatzungsmacht und die von ihr eingesetzte Verwaltung vor nahezu unlösbare Probleme.
Zusätzlich mussten mehrere tausend „Displaced Persons“ – ehemalige KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene – untergebracht werden. Für sie ließen die Briten Haffkrug und Sierksdorf zwangsräumen. Ein Jahr lebten die „DPs“ gedrängt in den Häusern und in Großzelten am Strand.
Die Ausstellung thematisiert auch weitgehend unbekannte Kapitel der Regionalgeschichte, etwa den „Kral“. So hieß unter Soldaten das Sperrgebiet – offiziell „Zone F“ –, in dem fast 600.000 deutsche Kriegsgefangene interniert waren. Das Lager umfasste den gesamten nordöstlichen Teil Ostholsteins einschließlich der Insel Fehmarn.
Wenige wissen auch, dass die britischen Besatzer Scharbeutz für ihre Zwecke vereinnahmten: Aus dem beschaulichen Badeort wurde ein Seebad für Soldaten aus der ganzen britischen Besatzungszone. Hotels und Pensionen wurden beschlagnahmt und umbenannt. Einen Großteil des Strandes und den Kurpark durften Deutsche nicht betreten, und das neun Jahre lang.
Unvergessen ist hingegen die „Cap Arcona“-Katastrophe. 7500 KZ-Häftlinge überwiegend aus dem Lager Neuengamme waren Ende April von der SS auf mehrere ankernde Schiffe – darunter der ehemalige Luxusdampfer „Cap Arcona“ – in der Lübecker Bucht vor Neustadt gebracht worden. Rund 7000 von ihnen kamen am 3. Mai ums Leben, als die Royal Air Force die schwimmenden Gefängnisse bombardierte (siehe Bild oben, aufgenommen von Sierksdorf aus). Man habe geglaubt, so die Erklärung der Briten, dass Nazigrößen auf ihnen über die Ostsee fliehen wollten.
Heute sind die Badeorte in Ostholstein beliebte Urlaubsziele, in denen kaum etwas an den schwierigen Neustart 1945 erinnert. Ein Erbe des Krieges allerdings ist höchst gegenwärtig und bedrohlich – auch davon handelt die Ausstellung in Pönitz: Auf dem Grund der Lübecker Bucht lagern noch mindestens 50.000 Tonnen Munition und rosten vor sich hin.
Sonderausstellung „1945 – Kriegsende und Neubeginn. Die Lübecker Bucht vor 75 Jahren“, vom 6. Juni bis zum 29. November 2020
Zur Sonderausstellung erschien eine gleichnamige Broschüre, die im Museum erhältlich ist.
Ein Presseecho können Sie hier lesen; Bilder zur Ausstellung finden Sie hier.